Die doppelte Teilbelastung

Endlich! Ich darf meckern und mich beschweren! Und das Ganze gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. 
Richtig – die Doppelbelastung!
Ich bin jetzt eine berufstätige Mutter oder in cool eine „working mum“.
Darf man bei Teilzeitarbeit und einem das Einzelkind schaukelnden Mann in Elternzeit schon von Doppelbelastung reden? 
Oder ist das dann nur eine doppelte Teilbelastung?
Egal –  Arbeit ist Arbeit und Kind ist Kind. Und zusammen soll es die Hölle sein. Bislang habe ich weder meine Arbeit noch meine Tochter für sich genommen als Einzelbelastung empfunden. Zumindest nicht immer. Aber an einen Satz aus der Uni erinnere ich mich noch: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Gin wirkt ja auch erst mit Tonic belastend  – oder war es andersrum? 

Wir tasten uns erstmal langsam ran ans Belastetsein. Langfristig soll das Projekt Baby aus einer doppelten Teilbelastung in eine doppelte Doppelbelastung münden: doppelbelastete working mum + doppelbelasteter working dad = vierfachbelastete working parents? Oder zählt das Kind dann pro arbeitendem Elternteil nur halbbelastend? Sind arbeitende Väter gar von der Belastungsrechnung gestrichen? „Working dad“ ist mir als Fachterminus jedenfalls noch nicht untergekommen. 

Und wie sieht es mit der Belastung des Kindes durch mehrfachbelastete Eltern aus? ist das Kind einer arbeitenden Mutter nun doppelt-, halb – über- oder gar völlig unbelastet?

Leider blieb wenig Zeit für Belastungspilosophie, denn urplötzlich brach der Tag an, an dem ich mich an meinen Arbeitsplatz begeben und das Kind in der Obhut seines Vaters lassen sollte. 

Wie sollte das Baby diesen Belastungstest überstehen? Monatelang hatte ich die Kleine umsorgt. Tags, nachts, drinnen, draußen. Sie genährt, gehegt, gepflegt, bespaßt und von Umweltbelastungen ferngehalten. 

Jetzt muss ich meine Tochter ihrem Schicksal in Gestalt ihres Vaters überlassen. Gut –  wir hatten ja die so genannten „Partnermonate“. Papa war ein paar Wochen zu Hause und hat kleinere Elternaufgaben und väterliche Hilfstätigkeiten erledigt. Aber alles unter meiner Aufsicht. 

Irgendwie musste ich mein mütterliches Gewissen entlasten – und die Kontrolle behalten. Über unauffällige Webcams und dezente Wanzen in der Wohnung wollte ich den Vater auf frischer Tat bei seinen Fehlern ertappen und dann vom Büro aus Anweisungen geben.
Es stellte sich als kleines Hindernis heraus, dass ich bei der Arbeit ja arbeite und gar nicht täglich sechs Stunden lückenlose Überwachung gewährliesten kann. 
Also muss ich mich mit einem Kinderbild auf dem Schreibtisch und gelgentlichen (also stündlichen) Kontrollanrufen begnügen.
Nach ein paar Tagen Arbeit ist mir aber aufgefallen, dass es ganz schön ist, erst nachmittags Breiflecken auf der Kleidung zu haben. 
Diejenige, die meine teilweise Doppelbelastung völlig unbelastet übersteht, ist meine Tochter. Sie winkt auch noch fröhlich wenn ich gehe. 

Jeden Morgen lungere ich sicherheitshalber noch zehn bis 30 Minuten vor der Wohnungstür rum, um bei ihrem Schreien schnell nochmal mütterlichen Trost spenden zu können Aber der Papa scheint ihr entweder immer den Mund zu zuhalten oder sie zu betäuben.

 Immerhin scheint sie mich wiederzuerkennen und sich sogar zu freuen wenn ich heim komme. Gestern war sie besonders gut gelaunt. Als ich reinkam, ist sie geradezu ausgeflippt. Doch schnell wurde mir klar: Ihre Freude galt nicht mir. Sondern dem klimpernden Haustürschlüssel in meiner Hand. Eine wahre Belastung fürs Mutterherz.

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