Das Baby ist ein wunderbares Medium. Wir Eltern nutzen es gerne, um Befehle an den Partner hübsch zu verpacken. Das funktioniert, indem wir das Babygebrabbel entsprechend interpretieren, wenn der Partner in Hörweite ist:
Baby: „Dadadadabababa.“
Interpretation: „Was sagst du? Der Papa soll uns (!) einen Kaffee kochen? Ja? Das macht er bestimmt gerne.“
Baby: „Babababadadada.“
Interpretation: „Du brauchst eine neue Windel? Vom Papa? Er soll dir die Windel wechseln? Dann gebe ich dich mal weiter.“
Das gehört zu den Dingen, von denen wir uns noch am Wochenbett geschworen haben, dass wir sie niemals tun werden.
Genau wie halb aufgegessene Bananen in der Tasche rumzutragen und „mach‘ mal eiiii, eiiii“ zu sagen. Oder einen Plastiklöffel in der Luft schwenkend Flugzeugmotorengeräusche zu imitieren.
Wir wollten es nicht. Das passiert einfach.
Aber nicht nur von den Eltern wird das Baby dazwischengeschaltet.
Omas und andere Rentner nutzen es gerne, um der Mutter Kritik am Erziehungs- oder sonstigem Verhalten zu vermitteln.
Dazu bedienen sie sich der „Jasachma-Formel“:
Im Ruhrpott ist der Imperativ von „sagen“ „Ja sach‘ ma'“. Also sagt die Oma bei jeder erdenklichen Gelegenheit zum Enkel: „Ja sach‘ ma“ gefolgt von entweder a) hanebüchenen Erklärungsansätzen für das Verhalten des Kindes oder b) großmütterlichem Tadel.
Das Kind will mittags nicht einschlafen. Oma zum Kind: „Ja sach‘ ma: ‘Mama das kommt davon, dass ich immer in eurem Bett schlafen darf.`“
Das Kind krabbelt durch die Wohnung. Oma: „Ja sach‘ ma: ‚Mama, da musst du jetzt aber aufpassen, ich komm‘ schon überall dran.'“
Das Kind will vom Schoß. Oma: „Ja sach: ‚Mama, das kommt davon, dass du Arbeiten gehst, da werde ich halt selbständig.'“
Das Kind schaukelt: „Ja sach ma: ‚Mama, nicht zu feste anschubsen sonst wird mir schlecht.'“
Leider „sacht“ das Kind weder Mama noch sonst was. Wer nicht sprechen kann, kann auch nicht widersprechen.
Die Deutungshoheit für Babys Brabbeln und Krabbeln bleibt also bei der höchsten Instanz, der Oma. Und der kann auch wer sprechen kann nicht widersprechen.
Der Jasachma-Virus befällt nicht nur direkte Omas, sondern alle vor 1955 geborenen und bricht oft bei Edeka in der Kassenwarteschlange aus.
Das Kind windet sich im Kinderwagen. Rentner zum Kind: „Ja sach‘ ma: ‚Mama da musst du aber aufpassen dass ich nicht aus dem Wagen falle.“
Das Kind protestiert lautstark. Rentner: „Ja sach’ ma: ‚Mama beeil dich – ich will nach Hause'“
Das Kind hält eine Tüte Chips (für mich) fest. Rentner: „Ja sach’ ma: ‚Mama wenn du nicht aufpasst, esse‘ ich die alle auf.'“
Muss ich dann auch mit Jasachma antworten? In dem Falle wäre die richtige Jasachma-Formel: „Ja sach’ ma: ‚wenn ich der Mama die Chips wegesse, krieg‘ ich Stubenarrest bis zur Einschulung.'“
Oder: „Ja sach’ ma: Lass‘ die Mama doch vor, dann sind wir auch schneller Zuhause:“
Doch das erwartet niemand. Es handelt sich wohl um rhetorische Jasachma-Formeln.