Lange Läufe haben ein Gutes: Man darf dabei essen. Aber was isst man am besten während eines Marathons? Das Thema Essen beim Laufen führt zu zig Millionen Google-Treffern. Ich habe eine erfahrene Ultraläuferin gefragt, was sie so futtert, wenn sie hunderte Kilometer über Wiesen, durch Wälder und die Berge hinauf trabt. Ihre Antwort wird euch überraschen!
Sein Frühstück vor dem Marathon bestand aus einem blutigen Steak und Kaffee. Zur Stärkung gab ihm sein Trainer einen Cocktail aus Brandy und Stychnin.
(Beck 2015: 21)*
Ich habe einen Plan. Einen Trainingsplan. Vom Run Smart Institut für Sportwissenschaften. Wenn die mich im Mai nicht über die Ziellinie des Rhein-Ruhr-Marthons bringen, wer dann? Mein einziger Vorsatz ist, mich strikt an diesen Plan zu halten. Erstes Problem: Darin steht, dass ich schon in zwei Wochen 28 Kilometer laufen muss. Darauf muss ich mich vorbereiten. Jeder, der schonmal eine Urlaubsreise gemacht hat, weiß: Bei langen Strecken kommt es auf eines an – Proviant. Damit steht und fällt die Stimmung. Es muss genug sein, um alle bei Laune zu halten aber nicht so viel, dass man ständig aufs Klo muss.
Google spuckt mir 86 Millionen Ergebnisse aus zu Essen beim Laufen.
Ich tauche ein in eine Parallelwelt. Es gibt Gels mit und ohne Koffein, Protein-Riegel, Carb-Riegel und manche schwören auf die gute alte Banane. Dazu schüttet der eine Läufer isotonische Getränke in sich hinein, der nächste einfach Wasser, der übernächste literweise Saftschorle. Dass über die Ernährungsphilosophien rund ums Laufen noch keine Kriege ausgebrochen sind, wundert mich. Einen Online-Shop für Strychnin finde ich nicht.
Essen beim Laufen: Frag die Expertin
Statt mir das alles durchzulesen und die optimale Protein-Carb-Aufnahme-Ratio für mein derzeitiges Körpergewicht zu berechnen, frage ich eine Expertin: Katja. Katja wohnt in Geislingen an der Steige in der Nähe der Schwäbischen Alb. Wäre bei uns alles nach Plan gelaufen, wären wir uns nie begegnet. Aber Katja war schon im Vorstand des Vereins Leberkrankes Kind, als ich dazu kam. Auch ihre jüngere Tochter Anna, heute 15, brauchte mit drei Jahren eine Lebertransplantation. Als sie im Sommer 2011 im Freibad lagen, Anna aß gerade ein Mini-Milk, kam der Anruf. Katja raffte die Badetücher zusammen, düste nach Hause, um die Kliniktasche zu holen, die seit Monaten gepackt an der Tür stand, da hielt schon der Krankenwagen vor der Tür. Mit Blaulicht ging es zum Flugplatz, von da mit dem Hubschrauber nach Hamburg. Als Anna auf der Intensivstation das erst Mal die Augen aufschlug, hatte sie noch Gras unter den Füßen.
Und vielleicht sind wir hier schon der Antwort auf die Frage nach dem Warum auf der Spur. Sind Mütter, die viel Zeit in geschlossenen Krankenhauszimmern verbracht haben, besonders anfällig, dem Laufsport zu verfallen? Aber dem Thema widmen wir uns ein anderes Mal.
Von der Raucherin zur Ultraläuferin
Zurück zu Katja. Unsere Vorstandsitzungen haben wir oft für Zigarettenpausen unterbrochen. Irgendwann hatte Katja keine Lust mehr, in der Kälte zu stehen, um ihrer Sucht zu frönen. Sie drückte ihre letzte Zigarette aus und lief los. Eine halbe Stunde am Stück. Den ersten Halbmarathon unter zwei Stunden. Katja hatte ihren Sport gefunden. Einen Marathon ist sie noch nie gelaufen. Diesen Schritt hat sie übersprungen. Innerhalb von zwei Jahren ist aus der Kettenraucherin eine Ultraläuferin geworden. Die Marathondistanz läuft sie manchmal im Training. Zum Aufwärmen. Ihr erster langer Lauf war direkt der „Halbtraum“. Der ist genau das, wonach er sich anhört: Ein halber Albtraum. Der „Albtraum“ sind 115 Kilometer Traillauf auf der Schwäbischen Alb. Ohne Übernachtung. Mit 3500 Höhenmetern. Und auch den hat Katja schon hinter sich. 2022 kam sie als schnellste Frau ins Ziel. Nach 15 Stunden 34 Minuten und drei Sekunden. Da muss sie unterwegs was gegessen haben.
Was isst man auf 100 Kilometer?
Beim Trinken ist Katja Team Wasser und Saftschorle. Ihre Antwort auf meine Frage nach dem besten Essen beim Laufen war dann überraschend:
Zum Essen habe ich bei richtig langen Läufen gern ein Käsebrot dabei, einen Apfel und Salzbrezeln. Aber bei 20 bis 30 Kilometern tun es auch Gels. Nimm nicht alles auf einmal sondern immer wieder mal einen Schluck. Gummibärchen sind auch gut. Die gibt es auch extra für Läufer mit Cola-Geschmack und Koffein.
Eine Brotdose wollte ich nicht unbedingt mitnehmen in meinem Marathon-Mum-Lauftornister. Es beruhigt mich, dass auch eine Ultraläuferin wie Katja keine Wissenschaft aus dem Essen beim Laufen macht. Ich folge einfach den Links, die sie mir geschickt hat und bestelle eine Ladung Dextro Energy Liquid Gel, Geschmacksrichtung Orange. Gummibärchen habe ich als gute Mutter immer im Schrank. Die 28 Kilometer können kommen.
Was kostet der erste Marathon?
Trainingsplan für vier Wochen: 40 Euro
Eine Ladung Dextro-Ernergiegels: 32,27
Bisheriges Investment: 271,27
Noch 3 Monate und 6 Tage
*Beck, Hubert: Das große Buch vom Marathon. Lauftraining mit System, 8. überarbeitete Neuauflage 2015, Copress Verlag, München.
Gemeint ist der italienische Marathonläufer Dorando Pietri (1885-1942), dem diese Ernährungsweise wohl nicht allzu gut bekam, denn bei den olympischen Spielen 1908 in London hatte er Probleme, die Ziellinie zu finden. 1910 in Buenos Aires schaffte er den Marathon in seiner persönlichen Bestzeit von 2 Stunden 28 Minuten. Ob er in den zwei Jahren dazwischen auf Gels, Riegel oder Gummibärchen umgestellt hat, ist nicht überliefert.