Eltern betonen gerne, wenn der eigene Nachwuchs irgendetwas besonders früh kann oder besonders gut macht. Am coolsten ist was Nützliches wie Krabbeln, Laufen oder die Königsdisziplin: Sprechen. Damit können wir noch nicht dienen – was aber im Alter von vier Monaten laut mehrerer Experten wohl noch nicht auf eine Entwicklungsstörung hindeutet. Aber: Unsere Tochter hat besonders früh ihr Geburtsgewicht verdoppelt. Immerhin. Essen kann sie.
Leider wurden dann bei der U 4 motorische Defizite diagnostiziert. Sie hatte im Alter von dreieinhalb Monaten noch keine Lust, mehrmals am Tag ihre Patschehändchen über der Körpermitte zusammenzubringen und mit ihren Knubbelfingerchen zu spielen. Vielleicht weil die Körpermitte so üppig ist. Ich fand das nicht weiter dramatisch aber der besorgte Papa übt jetzt mit ihr. Allein schon wegen der Karriereplanung: Trotz eigenen Kirchenaustritts hat er einen längeren Klosteraufenthalt für seine Tochter vorgesehen. Da sollte sie wenigstens beten können.
Durchforstet man einschlägige Internetforen, scheinen viele Eltern zu „befürchten“ dass ihr Kind in irgendeinem Bereich hochbegabt ist, aber die Quacksalber von Kassenkinderärzten das nicht erkennen. Dort heißt es dann: „Der Jovan-Leander war von Geburt an so neugierig“ – „Der Friedrich-Maximus brabbelt so schön“ – „Die Savina-Sophie hat sich mit drei Monaten auf den Bauch gedreht.“
Um die Nachwuchstalente richtig zu fördern und einer nicht erkannten Hochbegabung vorzubeugen, wird die Elternzeit genutzt, um sich entwicklungspsychologisches und pädiatrisches Fachwissen anzueignen. Die Elterntreffinitiatoren haben diesen Trend erkannt. Regelmäßig heuern sie ausgewiesene Kinderexperten an, die über Kinderthemen referieren und u.a. Schlaf-, Beziehungs- und Spielverhalten des modernen Säuglings wissenschaftlich fundiert und elterngerecht aufbereitet präsentieren. Letzten Monat war eine Sprachtherapeutin zu Gast. Sie wollte etwas über den Spracherwerb des Kindes erzählen. Die arme Frau kam kaum zu Wort. Im Familienzentrum tummelten sich die ambitionierten Eltern, in der Hoffnung zu erfahren, wie sie ihr Kind mehrsprachig erziehen können, obwohl sie selbst nur Englisch als 3. Abifach und einen Volkshochschulkurs „Italienisch für Toskanareisende“ absolviert haben. Dabei ging es der netten Logopädin nur darum, uns zu sagen, dass wir viel mit den Baby sprechen und interagieren sollen, dass emotionale Nähe und Zuwendung auch zum Spracherwerbsprozess gehören.
Dass zielorientierte säuglingsgerechte Sprachförderung ab Geburt gar nicht thematisiert wurde, war schon eine Enttäuschung, da sind sich die anwesenden Muttis einig – zeigten ihre Babys doch bereits ausgeprägtes und daher förderwürdiges Sprachtalent. Doch nachdem wir alle einen Blick auf die präsentierte Tabelle zur Sprachentwicklung werfen konnten, in der der Beginn der ersten Lallphase bei zwei Monaten verortet wird, dämmert es den meisten: Mein Kind ist sprachentwicklungsmäßiger Durchschnitt (Schlussfolgerung: Die Begabung MUSS im naturwissenschaftlich-technischen Bereich liegen). Die Sprachtherapeutin bringt es auf den Punkt: „Ihr werdet alle denken: Mein Kind ist so neugierig, mein Kind ist so interessiert. Ich muss euch leider sagen: Das ist normal. Das sind Babys. Die sind so!“
Hachja, mein Kind kann… wohl einer der Hauptgründe, warum ich ungern Gespräche mit anderen Mami´s führe. Kinder kann und sollte man nicht ständig miteinander vergleichen, jedes Kind hat sein eigenes Tempo und das ist meiner Meinung nach auch gut so 🙂
Da gebe ich bambibaby Recht. Auch ich kann dieses ewige Mei Kind kann nicht mehr hören ….