Der Schmerz beginnt im linken Unterarm, kriecht hoch bis zur Schulter, geht dort über in eine bleierne, muskelkaterartige Schwere, breitet sich dumpf ins Schulterblatt aus, um mit einem Stechen im Nacken langsam auszuklingen.
Ungefähr so fühlt er sich an, der Säuglingsarm.
Auch zehn lange Wochen im Babykrankenbett konnten unsere Tochter nicht davon abhalten, zu Hause ganz normale Babyallüren zu entwickeln. Dazu gehört neben gelegentlichen nächtlichen Heißhungerattacken das ständige Getragen-werden-Wollen.
Egal ob sie leise quengelt, bitterlich weint oder wütend rumbrüllt – ihr Gemecker bedeutet immer eins: „Los, Mama, trag‘ mich!“
Auf dem Schoß schaukeln, unter dem bunten Libellen-Mobile ablegen, in die Kuscheldecke einwickeln, in der Wippe absetzen – das alles beruhigt sie kein bisschen. Mamas Arm muss es sein.
Da ich Rechtshänder bin, liegt das Baby immer auf dem linken Arm. Die Kinderphysiotherapeutin hat mir zwar mit besorgtem Blick auf Babys Kopfform und meine Rückenform dazu geraten, auch mal die Seite zu wechseln, aber ich kann mit links weder das Baby noch mich selbst füttern.
Dadurch werde ich zum einarmigen Muttertier.
Ich kann mittlerweile alles einarmig beziehungsweise einhändig: Zum Beispiel einen Joghurt aus dem Kühlschrank nehmen, öffnen und auslöffeln, ohne auf das Baby zu kleckern. Wäsche aufhängen geht auch gut, zumindest, wenn über den Wannenrand geschmissene Socken und Wickelbodies dazuzählen.
Dem großen Kind die Jacke anziehen oder dem DHL-Boten die Tür öffnen, das Paket annehmen und den Empfang quittieren – das mache ich mühelos mit rechts, ohne das Baby abzulegen.
Wahrscheinlich sehe ich im Sommer aus wie der Speerwerfer Kermes aus „Asterix erobert Rom“, der einen sehr durchtrainierten Wurfarm hat, während auf der anderen Körperseite ein verkümmerter Zweitarm nutzlos herunterhängt.
Man muss positiv denken: Der Schmerz in den Muskeln meines dauerbelasteten linken Arms ist ein gutes Zeichen dafür, dass das kleine Baby konstant an Gewicht zunimmt. Und einen schön definierten Bizeps wollte ich schon immer mal haben. Eine Seite ist immerhin ein Anfang.
Damit ich nicht zu einseitig belastet werde, sorgt die große Tochter für Ausgleich. Sie ist gut dreimal so schwer wie ihre kleine Schwester und – wie es sich für ältere Geschwister gehört – ein wenig eifersüchtig.
Wenn sie gute Laune hat, streckt sie meinem freien Arm ihre beiden Ärmchen entgegen, lässt ihre langen Wimpern über ihren großen Kinderaugen klimpern und säuselt in feinstem Ruhrpottdeutsch: „Mamiii, ich will auch auffen Arm. Bittööö.“ Wenn sie etwas launisch ist, was bei Zweijährigen erstaunlich oft vorkommt, reckt sie einfach nur ihre Ärmchen in die Höhe und befiehlt: „Arm! Arm! Aaaaaaaarm!“ Nein sagen kann ich bei keiner der beiden Varianten. Zum linken Säuglingsarm gesellt sich daher die rechte Kleinkindhüfte. Ich muss nochmal mit der Physiotherapeutin sprechen.
Schoen mal wieder von Dir zu hoeren. Ich hoffe es gut Euch gut!
Oh, das kenne ich 🙂 Doch ich hab’s ja noch gut – auf der letzten Babybörse kam mir eine Mami entgegen, die DREI Kinder auf dem Arm hatte. Hut ab!
Viele liebe Grüße und immer starke Arme
Küstenmami