Stichtag + 9 – wie gehabt.
Gebärendensprache ist eigentlich schön.
Die deutsche Sprache hat wunderbare Entsprechungen für die kalten medizinischen Termini gefunden: Gebärmutter, Mutterkuchen, Fruchtblase, Nabelschnur, Muttermund – alles schön bildhaft und gemütlich-mütterlich.
Mit den „Wehen“ gibt es einen schönen Euphemismus für das, was Geburtsberichten zufolge eher mit Pein, Schmerz oder gar Qual adäquat beschrieben wäre. Doch: „Sie liegt in den Qualen“ – „Die Qualen fangen an“ – keine verlockende Vorstellung. Bei Wehen hingegen denkt man eher an Wehwechen und ist optimistisch, mit ein bisschen Hecheln und Pressen schon da durch zu kommen – bzw. das Kind „da durch“ zu kriegen.
In sprachliche Wattewölkchen gepackt, wiegt sich die Hochschwangere in Sicherheit, blättert bei einer Tasse Himbeerblättertee im Schwangerschaftsratgeber – und liest dann von der Blasensprengung. Ganz lapidar: Wenn die Fruchtblase nicht platzt, wird sie kurzerhand gesprengt. Gesprengt! Martialischer gehts kaum.
Aber die Vorstellung hat was: Schwarze Hubschrauber kreisen über dem Krankenhaus, die Umgebung wird weiträumig evakuiert. Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg sind nichts gegen eine hartnäckige Fruchtblase. Es wird kontrolliert gesprengt: Sprengmeister stürmen den Kreißsaal – James Bond, Mc Gyver, das A-Team, Lokalpresse – alle sind sie da. Ein lauter Knall – eine Fruchtwasserfontäne – Erleichterung – Applaus – Foto – die Geburt kann weitergehen.
In Wirklichkeit wird die Fruchtblase mit einem kleinen Haken angestochen, schmerzhaft soll das Ganze nicht sein. Das soll oft vorkommen, wenn die Wehen künstlich eingeleitet werden. Warum diesen kleinen Stich also so kriegerisch beschreiben? Wahrscheinlich steckt ein Vater dahinter, der am Telefon die Verwandtschaft informiert: „Ich wurde rausgeschickt, die Fruchtblase muss gesprengt werden!“ Das hat einfach mehr Wumms als „Die pieksen jetzt die Fruchtblase an, mir ist etwas schummerig geworden.“