Ein Freund von uns macht grad Karriere und ist jetzt ein Chef. Eine Freundin kann seit vier Wochen auf die Frage „Und was machst du so?“ antworten: „Ich bin Ärztin“. Eine andere hat kürzlich geheiratet und daher jetzt einen Ehemann. Ich bin Mutter einer Tochter.
In neue Rollen muss man sich erst einfinden. Und das dauert. Momentan kommen wir uns eher vor, wie in der Theater AG. Stethoskop, Dienstwagen, Ehering, Spucktuch – alles von Requisiteuren zur Verfügung gestellt, damit es echt aussieht und andere unsere Rollen erkennen.
Jahrelange gute Arbeit und ein hammerhartes Assessment-Center, jahrelanges Medizinstudium mit hammerharter Abschlussprüfung, jahrelange Beziehung mit hammerharter Hochzeitsfeier, monatelange Schwangerschaft mit hammerharter Geburt – wir haben es kommen sehen. Aber nichts bereitet wirklich auf die neuen Rollen vor, die auf einmal gespielt werden wollen: Plötzlich ist man Führungskraft, Ärztin, Ehefrau oder eben: Mama (Ok, es gibt Leute, die sind das alles in einem, aber lassen wir die mal außen vor).
Wir spielen jetzt also Mutter, Vater, Kind. Jeden Tag. Ohne Drehbuch. Mit viel Requisite und echtem Baby.
Wenn mich einer fragt „Was machst du so?“ könnte ich werbefernsehmäßig antworten mit „Ich manage ein kleines erfolgreiches Familienunternehmen“. Das sage ich natürlich nicht – erstens weil ich dann brechen müsste, zweitens und hauptsächlich, weil „klein“ zwar stimmt, „erfolgreich“ aber eher Definitionssache ist. Immerhin: Das Baby lebt und wir haben uns noch nicht getrennt oder geprügelt. In der Minimaldefinition könnte man „Projekt Baby“ also durchaus als Erfolg bezeichnen.
Aber „meine Tochter“ zu sagen hört sich auch nach drei Monaten eher surreal an. Und wenn jemand mein Kind auf dem Arm hat und sagt „geh mal zur Mama“ dauert es ne Weile, bis mir klar ist, dass ja ich damit gemeint sein könnte. Die Menschen, die für mich Mama, Papa und Schwester sind, heißen jetzt Oma, Opa und Tante. Mein Freund ist „der Papa“. Bald ist er auch noch mein Mann. Dann wird es noch schlimmer. Wenigstens werde ich garantiert nie Ärztin und sicher auch nie Führungskraft.
Und wann gewöhnt man sich daran, Mutter zu sein? Ist das denn irgendwann normal und nicht mehr irgendwas zwischen Theater AG und Nahtoderfahrung, bei der man den Körper verlässt und die Szenerie von oben betrachtet? Eine Freundin, die schon länger dabei und etwas erfahrener im Muttisein ist sagt: „Du weisst dann, dass es echt ist, wenn du nicht mehr die 3. Person Mama bist, sondern wenn du direkt angebrüllt wirst: ‚Maamaaaaaaaaa!‘ Immer verbunden mit einem Imperativ: ‚Guck mal, gib mal, mach mal…’“ Ich freu mich schon!
Du sprichst mir aus der Seele :-). Manchmal hat man schon ein wenig Angst das man sich durch die Rollen selbst verliert …