Sechs bis acht Wochen nach der Geburt sollte man keinesfalls Sport treiben. Das raten Ärzte und Hebammen. Und diesen Autoritäten wagte ich mich nicht zu widersetzen. Dieser Zeitraum ist schnell vorbei (ich habe ihn vorsichtshalber mal voll ausgeschöpft, man weiß ja nie). Und wer die nachgeburtliche Kontrolluntersuchung beim Gynäkologen bestanden hat, dem raten Ärzte und Hebammen zur Rückbildungsgymnastik. Also muss ich hin. In der Hoffnung, dass sich die aus allen Fugen geratenen Körperteile mit ein paar nicht allzu anstrengenden Übungen wieder in ihre Ursprungsform zurückbilden lassen, kommen jetzt einmal pro Woche die Muttis aus der Nachbarschaft zusammen und lassen sich drillen. Drill Instructor ist eine harmlos erscheinende Hebamme, die ca. 10 Jahre älter ist als die anwesenden Spätgebärenden aber 10 mal besser in Form als die Frühgebärenden.
Eine Rückbildungsgymnastikgruppe kann man von einer „normalen“ Gymnastikgruppe gut daran unterscheiden, dass alle Teilnehmerinnen zu enge Klamotten tragen. Statt Schweißflecken unter den Armen haben sie Milchflecken auf Brusthöhe. Es geht nicht um Bizeps-, sondern um Beckenbodenmuskeln.
In der ersten Stunde müssen wir uns vorstellen und die wichtigsten W-Fragen beantworten: Alle Mitrückbilderinnen sollen wissen, wen wir wann, wie und wo zur Welt gebracht haben. Willkommen bei den anonymen Erstgebärenden: „Hallo, mein Name ist X und ich bin eine Mutter.“
Alle verraten brav wie sie und das dazugehörige Baby heißen, ob es per Kaiserschnitt oder Spontangeburt zur Welt kam und dass es dem Kind gut geht. Noch gibt der Drill Instructor die sensible Hebamme: „Und wie geht es euch?“ Erst drucksen noch alle rum, doch als bei der ersten Tränen kullern, brechen alle Dämme (eine perfide Metapher angesichts der Dammrissquote in der Runde.) Es entspinnt sich ein wilder Erfahrungsaustausch rund um Brutkasten, Blähungen, Babyblues und Brustentzündung.
Gruppentherapie statt Gymnastik: Nachdem alle ihr Leid geklagt und Verbündete gefunden haben, bleibt keine Zeit mehr dafür, irgendwas rückzubilden. Also nur eine kleine Entspannungsübung und wir dürfen wieder gehen. Cool, denk ich, den Psychologen kann ich mir schenken, ich geh einfach hier hin. Mein Mann denkt, ich treibe ernstzunehmenden Sport, dabei quatsche ich hier ein bisschen rum und turne zum Schluss einen kurzen Sonnengruß. Aber zu früh gefreut. Die Hebamme scheint lieb und verständnisvoll aber das täuscht: An uns Muttis lebt sie ihre sadistischen Triebe aus. Zum Abschied der ersten Therapiestunde sagt sie: „Heute haben wir noch schön gequatscht. Das ist wichtig. Auch die Psyche muss sich zurückbilden.“ Hebammensprache eben. „Freut euch nicht zu früh. Nächste Woche geht es richtig los.“ Richtig ernst genommen haben wir das nicht. Sie meinte es aber sehr ernst. „Nächste Woche“ war vor vier Tagen. Ich kann erst heute schreiben. Muskelkater.
Auf eine Woche mehr oder weniger kommt es ja nicht an, wichtig ist, das man irgendwann mit der Rückbildungsgymnastik beginnt. So kann man auch Prophylaxe für die nächsten Jahre betreiben