Wer dachte, der innere Schweinehund sei hartnäckig, der hat noch keine Bekanntschaft mit dem inneren Muttertier gemacht. Während der Schweinehund einen freundlich aber bestimmt mit einer Tüte Chips vor den Fernseher schickt, ist das Muttertier komplizierter. Es spielt Psychospiele.
Das Muttertier nistet sich mit Abgang der Nachgeburt in jeder Neu-Mutti ein. Es begehrt auf,sobald sich der Säugling zu weit von der Mutter entfernt bzw. mutwillig entfernt wird. Meist von den Großeltern.
Sie verkleiden ihren Wunsch nach Zeit mit dem Enkelkind hinter der Behauptung, der gestressten Mutti etwas „Zeit für sich“ gönnen zu wollen. Problem: Die Mutti weiß, dass „Zeit für sich“ bedeutet, dass jemand anderes diese Zeit in ihr Baby investiert. Und das innere Muttertier flüstert ihr zu: „Niemand kann sich um dein Baby kümmern. Niemand. Nur du!“
Der Lieblingstag des Muttertiers ist der wöchentliche Oma-Tag. Einmal pro Woche kommt eine Oma, um mich zu „entlasten“. Das heiß für mich erstmal: Stress. Wohnung und mich selbst schwiegermuttertauglich herrichten. Dem Kind was sauberes anziehen, Nägel schneiden, Haarflaum kämmen. Kaffee kochen, Babynahrung portionieren.
Für die Zeit, in der Oma da ist, muss ich mir dann eine sinnvolle Beschäftigung suchen. Zuerst habe ich überlegt, die Wohnung gegenüber anzumieten. Von dort könnte ich in Ruhe beobachten, wie sich die Oma beim Babysitten macht und notfalls sofort eingreifen. Aber da wohnte schon jemand. Und der wollte nicht raus. Auch nicht nur einmal die Woche.
Am ersten Oma-Tag ging ich also zum ersten Mal in meinem Leben ins Nagelstudio. „Das wurd‘ auch Zeit“, meinte Nail-Designerin Amanda und dass `Big Apple Red den Fingernägeln der Mutti gut stehen würde.
Als Amanda die Feile ansetzt, meldet sich das Muttertier: „Du bist so lange weg. Das arme Ding. Bestimmt weint es. Die Oma hat das letzte mal 1978 gewickelt. Mit modernen Babys kann die doch gar nicht umgehen.“ Das Muttertier kann sehr überzeugend sein. Also sage ich zu Amanda: „Ah, ich glaub der Lack ist trocken. Danke, genug gefeilt. Sieht super aus. Hier, stimmt so. Danke nochmal. Tschüss.“
Hoffentlich komme ich noch rechtzeitig. Nicht dass das Baby vom ganzen Weinen erstickt! Ich renne los. Stürze in die Wohnung. Das war knapp! Gerade nochmal Glück gehabt. Das Baby sitzt friedlich und freundlich und lachend und glucksend auf Omas Schoß. Sicher hätte es jeden Moment angefangen zu schreien. Gut, dass ich rechtzeitig zurückgekommen bin.
„Du bist ja schon wieder da“, sagt die Oma. „Ja, ging doch schneller, als gedacht“, sage ich und verstecke meine halbmanikürten Hände.
Fazit des ersten Oma-Tags: Big Apple Red in verschmiert und nur auf einer Hand sieht doof aus.
Trennung muss man üben. Nichteltern verstehen das nicht ganz so einfach, aber man kann ihnen helfen:
Sagen wir mal, Julia wäre zu Besuch. Julia ist Nichtmama, weil sie noch keinen Romeo gefunden hat oder keine Lust auf Romeos im Allgemeinen hat. Egal, Julia ist jedenfalls da, und versteht die Sache mit den Fingernägeln nicht.
Um ihr Empathievermögen ein bisschen anzukurbeln, bittet man sie, dass sie ihr Handy einschaltet, sich in facebook und woauchimmer noch einloggt, und das Ding dann bei den Schoneltern aufm Tisch liegen lässt, während ihr die Nägel gemacht werden.
Bei einem durchschnittlichen 2013er Twen dürfte das zu Verwirrung, Angst und dem dringenden Bedürfnis führen, schnell zurück zum Handy zu kommen. Fast so, wie eben Eltern zum Kind möchten – mit dem Unterschied, dass bei Eltern noch viel mehr Instinkte und Hormone und Botenstoffe und hastesnichtgesehen mitspielen 🙂
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Trennung muss man üben. Nichteltern verstehen das nicht ganz so einfach, aber man kann ihnen helfen:
Sagen wir mal, Julia wäre zu Besuch. Julia ist Nichtmama, weil sie noch keinen Romeo gefunden hat oder keine Lust auf Romeos im Allgemeinen hat. Egal, Julia ist jedenfalls da, und versteht nicht, wieso Jungeltern ihren Nachwuchs so ungern aus den Händen geben und aus den Augen lassen.
Um ihr Empathievermögen ein bisschen anzukurbeln, bittet man sie, dass sie ihr Handy einschaltet, sich in facebook und woauchimmer noch einloggt, und das Ding dann bei den Schoneltern aufm Tisch liegen lässt, während ihr die Nägel gemacht werden.
Bei einem durchschnittlichen 2013er Twen dürfte das zu Verwirrung, Angst und dem dringenden Bedürfnis führen, schnell zurück zum Handy zu kommen. Fast so, wie eben Eltern zum Kind möchten – mit dem Unterschied, dass bei Eltern noch viel mehr Instinkte und Hormone und Botenstoffe und Hastesnichtgesehen mitspielen. Wer die Trennung nicht so gern simulieren möchte, der kann seinen Nichtkindhabenbekannten auch einfach den Artikel von Babyleaks um die Ohren fetzen.
Das mit dem Rebloggen habe ich noch nicht ganz im Griff. Entschuldigung.
ich sag mal danke 🙂 liebe grüße!
Hey, sowas von wahr! Wir kommen gerade von unserem Atlantik Urlaub mit Oma, Opa und 7 Monate altem Sohnemann! Mama und Papa sollten zwischendurch ja mal Zeit für sich haben! Jaaa, ich war dann mal 2 Stunden surfen…da hat mir das Muttertier auch was geflüstert! Danach waren die Wellen wahlweise zu groß, zu klein oder zu kalt! Danke du TIER! Hoffe das legt sich irgendwann.
Viele Grüße