Ich habe einen Azubi!
Eigentlich bekommt eine Lehrstelle nur, wer sich im Praktikum oder Bewerbungsgespräch besonders gut anstellt.
Aber es gab nur einen Bewerber und ich musste die Stelle besetzen. Dringend. Denn ich brauche einen Nachfolger für die Position des Vollzeitelternteils.
Also macht Papa jetzt eine Ausbildung zur Mama. Er soll die Mutterrolle übernehmen – möglichst ohne dass das Kind etwas merkt – damit ich mich unbemerkt ins Büro schleichen kann.
Zwei Monate habe ich, um den Freizeitpapa zum Vollzeitpapa auszubilden .
Um unsere Familienministerin dabei zu helfen, weiter eine konstant steigende Väter-in-Elternzeit-Quote präsentieren zu können, haben wir folgenden Plan ausgeheckt:
Sieben Monate Nur-Mutter-Zeit, zwei Monate Beide-Eltern-Zeit, drei Monate Nur-Vater-Zeit.
Dann muss es die Kita richten.
Mein in den letzten Monaten angehäuftes und streng gehütetes Fachwissen soll ich nun weitergeben. Das passt mir natürlich nicht. Babywissen ist Herrschaftswissen. Ich habe mir vorgenommen, die bewährte Salamitaktik anzuwenden. Nur scheibchenweise gebe ich Tipps und Tricks preis. In ganz dünnen Scheibchen.
Ausbildungswoche 1
Lektion 1: Pack‘ das Baby ein
Wir wollen raus. Der Papazubi muss alles vorbereiten.
Aufgabe: „Packst du mal bitte die Wickeltasche und dann das Kind in den Maxicosi?“
Keine zehn Sekunden später steht der Papa in der Tür. An seinem Unterarm baumelt lässig das Babytragegerät mit Baby drin.
Der Vater guckt triumphierend. Das Kind guckt verwirrt. Die Mutter guckt entsetzt.
Typischer Anfängerfehler. Er dachte wohl, das Baby in den Maxicosi zu packen hieße tatsächlich, das Baby in den Maxicosi zu packen.
Das gibt den ersten Tadel. Lehrmonate sind keine Herrenmonate.
Ich darf ihm die erste Lektion zum Thema „Rausgehen mit Baby“ erteilen.
Die Handlung „Baby in den Maxicosi“ erfordert zwingend einige komplexe aber mittlerweile standardisierte Teilhandlungen.
1. Windelcheck und bei Bedarf (also immer) Windelwechsel
2. Wetterlage und Wetterprognose abklären (Meteorologie im Nebenfach ist ratsam für alle, die mal mit einem Baby rausgehen wollen)
3. Punkt 2 angemessene Kleidung anziehen (ein breibefleckter Body und eine olle Jogginghose zählen nie dazu, auch nicht für den Vater)
4. Ersatzkleidung für von Punkt 2 abweichende Wetterlagen einpacken (alle denkbaren)
5. Grundausstattung überprüfen: Jacke, Mütze, Söckchen, Schnuller (mit Schnullerkette!)
Die Wickeltasche zu packen heisst nicht, den Autoschlüssel und sein Portemonnaie dort hinein zu werfen.
Fällt das Stichwort „Wickeltasche“ kann die gute Mutter von heute alle W-Fragen mit „ja“ beantworten: Windeln? Wickelunterlage? Windelbeutel? Wundschutzsalbe? Wechselbody?Jedoch muss der Windelvorrat regelmäßig überprüft und bei Bedarf (also immer) aufgestockt werden.
Hinzuzufügen sind je nach Freizeitaktivität und deren Dauer:
– Babyproviant: mehrere Portionen der tageszeittypischen Mahlzeiten und die dazugehörigen Utensilien (das im Detail auszuführen, würde den Rahmen des Internets sprengen)
– Spielzeug
– Ersatzkleidung (falls Punkt 4 s.o. nicht reicht)
– Spucktuch
Während ich also das Baby aus dem Sitz reiße, wickle, umziehe, ausstatte und die Tasche ordnungegemäß befülle, steht der Azubipapa in der Tür.
Als ich fertig bin, nimmt er mir das Kind ab und sagt: „Können wir jetzt endlich?“
Aufmüpfige Azubis von heute.
Das mit der Hierachie üben wir noch. Für die nächsten Wochen denk‘ ich mir allerhand Fieses aus.
Hach, ich freue mich immer über deine Berichte. Mein Kleiner ist fast gleich alt und ich erkenne uns so oft wieder. Um die gemeinsame Elternzeit beneide ich euch sehr. Die ist bei uns leider ausgefallen (ich kann’s noch immer nicht fassen!)
Ganz viel Spass euch und die Papas sind ja eigentlich ganz lernwillig…meistens!
Grüße aus München