Ich wusste ja, was uns nach dem Urlaub erwarten würde. Richtig vorbereitet war ich nicht.
Am ersten Kita-Tag prangt ein rotes Schild neben Annas Gruppentür. „Was steht da, Mama?“, fragt sie und ich lese vor: „Es ist soweit! Unsere „Großen“ verabschieden sich aus dem Sternschnuppenland. Nach den Sommerferien gehen vier Kinder in andere Gruppen.“
Ich bekomme einen Kloß im Hals.
Zu den „Großen“ gehört auch unsere Tochter.
Plötzlich steht da ein Meilenstein
Wie konnte das passieren? War es nicht gestern, als der Papa mit ihr die Kita-Eingewöhnung gemacht hat? Als ich vor Aufregung fast vom Bürostuhl gekippt wäre, weil Anna ihren ersten Kita-Tag hatte?
Jetzt ist die U3-Zeit vorbei. Schon wieder so ein Meilenstein, der da plötzlich im Weg herumsteht.
Wenn man an einem Meilenstein ankommt, darf man kurz verschnaufen, und darüber nachdenken wie der Weg dorthin war. Dafür veranstaltet die Kitagruppe extra eine kleine Abschiedsfeier mit Kaffee und Kuchen. Ich schmuggle noch eine Flasche Sekt mit rein.
Das Problem am Kuchen: Jemand muss ihn backen. „Ich kann gut backen“, behauptet Anna. Selbstbewusst ist sie auf jeden Fall geworden in den ersten drei Kita-Jahren.
Ganz so groß ist mein Vertrauen in Annas Backfähigkeiten nicht und ich helfe ihr. Auch um zu verhindern, dass sie den gesamten Teig ungebacken von den Rührstäben schleckt. Diesmal soll es keine kurz vor Ladenschluss ergatterte Backmischung sein, sondern eine Ladung backmischungsfreier Sternschnuppenkekse für das Sternschnuppenland. Mit viel Zuckerguss, um den Abschied zu versüßen. Auch den Muttis.
„Weisst du noch, damals waren unsere die Kleinen“, sagt die Mama von Annas Kitafreund Mats bei der Abschiedsfeier und wuschelt ihrem Sohn durch die Locken. „Damals hatten die beiden fast keine Haare“. Wir seufzen und beißen in die Sternschnuppenkekse. Heute hat Mats eine wilde Lockenmähne und Anna kann sich ohne Perücke als Rapunzel verkleiden.
Anna war fast ein Jahr alt, als sie ein Kita-Kind wurde. Das ist nun drei Jahre her. Sie plapperte ihre ersten Worte. Sie konnte noch nicht laufen, noch lange nicht.
Oft hatte ihre liebe Erzieherin eine ganz verschlafene Anna auf dem Arm, die nur mit einer Windel bekleidet gerade aus dem Mittagsschlaf erwacht war, wenn ich sie abholte.
Windeln und Mittagsschlaf sind passé, das Laufen klappt ganz gut und aus dem fröhlichen Plappern ist ein nicht aufzuhaltender Redefluss geworden (Meistgenutzte Wörter: „Warum?“, „Nein“, „Gleich“, „Doch“, „Aber“, „Trotzdem“, „Ich muss erst noch…“ und „Kacka“).
Der Kitaflur ist der Zeitraffer in meinem Kopf: Dort kam sie mir erst entgegengekrabbelt, dann getaumelt, dann gelaufen, dann gerannt.
Heute dreht sie auch gern nochmal um, wenn sie mich sieht: „Du bist zu früh“, „Du sollst noch einkaufen gehen!“, „Oma soll mich abholen!“ Manchmal kann sie es kaum erwarten, sprintet auf mich zu und springt an mir hoch: „Mamaa, endlich!“, „Mamaaa, meine Mama!“
Ihr Garderoben-, Zahbürsten- und Handtuchzeichen war der Elefant. Ich konnte vor drei Jahren wählen zwischen einem Hasen und einem Elefanten. Es hatte absolut nichts mit ihren süßen Speckröllchen an den Armen zu tun, dass ich mich für den Elefanten entschieden habe. Eher damit, dass ich ihr gern mal echte Elefanten zeigen will. Bis zum Zoo sind wir immerhin schon gekommen.
„Ich fand das ja immer so doof zu sagen, aber die werden wirklich schnell groß“, sagt Mats‘ Mama. Sie hatte sich in unserem ersten gemeinsamen Kita-Jahr etwas gesorgt, weil Anna ihren Sohn in Grund und Boden gequatscht hat, während er noch einsilbige Laute von sich gab. Ich hingegen war besorgt, weil Mats meiner Tochter monatelang davon lief und munter in der Kita herumrannte, während sie noch meilenweit von den ersten tapsigen Schritten entfernt war.
„Wer hätte gedacht, dass die beiden kleinen Babys mal laufen und sprechen können, und das beides gleichzeitig“, sage ich und schütte ihr noch ein bisschen Sekt in den Plastikbecher. Wir stoßen an und trinken schnell aus, damit kein Kind aus Versehen am Sektbecherchen nippt.
„Ich bin doch jetzt groß“
Nach dem die Sternschnuppenkekse verputzt sind, räumen wir Annas Garderobe und ziehen um. Die neue Gruppe liegt am anderen Ende der Kita, hat direkten Gartenzugang und ein größeres Bad. In Sachen Lage und Ausstattung hat sie sich also deutlich verbessert. Dafür ist es etwas voller als in der heimeligen U3-Gruppe mit zehn kleinen Kinderlein.
Ihr neues Zeichen ist das Herz. Das hat sie sich selbst ausgesucht. Ohne mich zu fragen.
Jeden Morgen geht sie nun ohne Gezeter und Gejammer anstandslos in die neue Gruppe. Wenn ich morgens wie ein altes Gewohnheitstier links zum Sternschnupppenland abbiegen möchte, zieht sie an meiner Hand und sagt „Boa Mama, wir müssen weitergehen, ich bin doch jetzt groß.“
Unter dem Elefanten hängt nun die Jacke eines kleinen Jungen, einem Neuling im Sternschnuppenland, dessen Mutter in drei Jahren so dastehen wird wie ich vor ein paar Wochen, sich am Kopf kratzt, um den Kloß im Hals zu überspielen, sich fragt, was für einen Kuchen sie backen soll und wo überhaupt die Zeit geblieben ist.
Hallo, ich kann dich nur zu gut verstehen, meine Tochter hat gerade ihr letztes Kindergartenjahr hinter sich gebracht und kommt heute in einer Woche tatsächlich schon in die Schule!! Wo ist die Zeit nur hin,… Da kann man nur jeden Moment so intensiv wie möglich genießen aber er wird leider trotzdem irgendwann vorüber sein,… Seien wir froh das unsere Kinder so groß werden dürfen und eine schöne Kindheit haben! 😀