„Ich bin nicht Stiller!“ So lautet der berühmte erste Satz aus Max Frischs Roman „Stiller“.
Ob Stiller gestillt wurde ist nicht überliefert. Aber vieles spricht dafür, dass seine Mutter zur Flasche gegriffen hat: Immerhin ist Stiller Egozentriker, Ehebrecher, vielleicht sogar ein Mörder?
Glaubt man den eisernen Verfechtern der Brusternährung, sollte in psychiatrische Anamnesebögen die Kategorien „wurde gestillt“ / „nicht gestillt“ aufgenommen werden. Denn angeblich führen Mütter, die nicht stillen, ihren Kindern irreversible Schäden zu.
„Ich bin Nicht-Stiller!“ lautet also der Satz, mit dem sich eine junge Mutter ins soziale Abseits katapultieren kann.
Es gibt eine Bundesstillbeauftragte, eine Weltstillwoche, Stiftungen zur Förderung des Stillens, Stillberaterinnen, Stillcafés – kurz: alles was das Herz unter der stillenden Brust begehren könnte.
Ich stille. Und warum? Weils geht! (ok, ab und zu schummeln wir, siehe Zwiemilchige Gestalten)
Solange es funktioniert, ist Stillen natürlich das Beste und nicht zuletzt das Einfachste. Mutter muss nicht erst aufstehen und Milchmixgetränke herstellen oder Fläschchen wärmen, wenn das Kind nächtliche Gelüste überkommen.
Es gibt aber Mütter, die aus welchen Gründen auch immer, nicht stillen können oder wollen. Den einen tut die Brust weh, andere haben beim dritten Kind einfache keine Lust mehr, oder das Baby mag nicht. Egal welcher Grund – den armen Frauen wird überall ein noch schlechteres Gewissen eingeredet, als sie vielleicht ohnehin schon haben. Dazu fehlt ihnen dann gerade noch der mitleidig-vorwurfsvolle Blick der Stillnazis. Ich kenne viele wunderbare Kinder, die niemals einen Tropfen Muttermilch zu sich genommen haben. Viele sind heute bereits erwachsen, haben keine Vorstrafen, keine Sprachstörungen und soweit ich weiss bisher niemanden umgebracht.
Wenn zum Schlafentzug auch noch wunde Nippel oder Brustentzündungen kommen, tut die Mutter sich und dem Baby keinen Gefallen, wenn sie zur Märtyrerin im Namen der Muttermilch wird. Im Kleingedruckten jeder Stillbroschüre steht ja auch: „Wenn Sie nicht stillen können, bekommt Ihr Kind auch mit Ersatznahrung alles, was es für eine gesundes Wachstum braucht.“ Also – Warum dann nicht etwas entspannter an die Sache herangehen und wenns nicht klappt mit dem Stillen einfach ohne Gewissensbisse ein Fläschchen geben? Großer Vorteil: Vater, Großeltern, Tanten oder Onkel können mal übernehmen.
Stillen ist gut, aber wenns nicht geht, sollte man das vielleicht nicht zu sehr hochstillisieren.